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Niklas Green neuer Commercial Director Invesdor Nordics: Einblicke in den finnischen Markt und Erwartungen von Investor:innen

niklas green, commercial director finland

Finnland zählt zu den innovativsten Märkten Europas. Viele kleine und mittelständische Unternehmen wollen wachsen, stoßen jedoch bei der Kapitalbeschaffung auf Hürden. Finnische Banken agieren eher zurückhaltend und vergeben Kredite meist nur unter strengen Auflagen. Dadurch entsteht eine Finanzierungslücke, die alternative Modelle wie Crowdinvesting inzwischen erfolgreich schließen.

Crowdinvesting-Plattformen ergänzen zunehmend die traditionelle Finanzierung durch Banken und staatliche Förderinstitutionen. Sie tragen zu einem vielfältigen Finanzierungsmix bei, von dem insbesondere innovative Start-ups und wachstumsstarke kleine Unternehmen profitieren. Finnland zählt mit seiner Vielzahl spezialisierter Plattformen und der engen Verknüpfung mit öffentlichen und privaten Finanzierungsinstrumenten zu den dynamischsten Crowd-Finanzierungslandschaften Europas. 

Immer häufiger ergänzen alternative Finanzierungsformen die klassischen Angebote von Banken und öffentlichen Förderstellen. Besonders wachstumsstarke KMU und innovative Scale-ups profitieren davon, da sie häufig Schwierigkeiten beim Zugang zu Kapital haben. Da der finnische Markt vergleichsweise klein ist, müssen viele Unternehmen bereits früh ins Ausland expandieren, um weiter zu wachsen. Diese Internationalisierung erfordert jedoch Kapital, das oft schwer verfügbar ist. Invesdor übernimmt hier eine zentrale Rolle, indem die Plattform einem bisher unterversorgten Markt Zugang zu alternativen Finanzierungsquellen ermöglicht, die sonst nur schwer erreichbar wären.

Zugleich gilt Finnland als eine der digital fortschrittlichsten Volkswirtschaften innerhalb der EU und bietet hervorragende Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung. Mit 5,6 Millionen Einwohnern ist es das am dünnsten besiedelte Land Nordeuropas. Dennoch überzeugt Finnland mit hoher Innovationskraft, gut ausgebildeten Fachkräften und einem konsequenten Wandel hin zu nachhaltigen Industrien und grüner Energie. Die fortschreitende Digitalisierung und der Ausbau erneuerbarer Energien schaffen zusätzliche Chancen für Investorinnen und Investoren. Auch für Deutschland, das im finnischen Markt als enger Partner gilt, etwa beim Bau von Windparks oder in der Maschinenbauindustrie. 

Niklas Green beobachtet den finnischen Markt seit vielen Jahren und kennt dessen Besonderheiten wie kaum ein anderer. Als neuer Commercial Director Finland bei Invesdor übernimmt er nun die Leitung des finnischen Geschäfts. Er treibt die Entwicklung des lokalen Deal Flows voran und baut gezielt die Investorinnen- und Investorenbasis aus. Im Interview teilt er seine Einschätzung zur aktuellen Marktsituation, erläutert seine strategischen Prioritäten und gibt einen Ausblick auf Finnlands Rolle im europäischen Kontext.

Der finnische Markt befindet sich im Wandel. Wie schätzen Sie den Markt aktuell ein? 

Niklas Green: Die finnische Wirtschaft wächst seit 20 Jahren nicht mehr, das ist einfach Fakt. Aber ich glaube nicht, dass sich etwas verbessert, wenn wir nur zuschauen und abwarten. Jetzt ist der richtige Moment, um aktiv zu werden und die Richtung mitzugestalten. Auch wenn die Gesamtwirtschaft stagniert, haben wir viele Unternehmen mit richtig viel Potenzial. Das Problem ist oft, dass ihnen das nötige Kapital fehlt. Dadurch können sie nicht wachsen oder werden viel zu früh verkauft.

Gerade weil der finnische Kapitalmarkt so unterversorgt ist, gibt es für Investorinnen und Investoren viele interessante Möglichkeiten mit einem attraktiven Verhältnis von Risiko zu möglicher Rendite. In Finnland gibt es viele innovative kleine und mittelständische Unternehmen, die vorwärts denken und wachsen wollen. Aber es gibt kaum passende Finanzierungsmöglichkeiten. Und so fehlt ihnen oft das Geld, um zu investieren und den nächsten Schritt zu gehen.

Das liegt vor allem an der Struktur des finnischen Kapitalmarkts. Es gibt nur wenige Banken. Und diese wenigen schauen vor allem auf die Vergangenheit: auf solide Bilanzen, greifbare Sicherheiten und jahrelange Gewinnhistorien. Genau das können viele moderne Unternehmen aber nicht bieten. Diese arbeiten oft mit immateriellen Werten wie Software und haben kaum klassische Sicherheiten. Dabei zählt eigentlich das, was in der Zukunft möglich ist. Denn Rendite wird mit zukünftigen Gewinnen gezahlt, nicht mit den Erfolgen von gestern.

So entsteht eine strukturelle Finanzierungslücke zwischen ambitionierten Unternehmen und den eher vorsichtigen Anforderungen der Banken. Diese Lücke zu schließen ist eine Herausforderung und zugleich eine riesige Chance für alle Beteiligten.

Wenn klassische Bankfinanzierung nicht mehr ausreicht, was sind die größten Herausforderungen für Unternehmen in Finnland?  

Niklas Green: Viele Unternehmen in Finnland stehen vor einem ähnlichen Problem. Sobald sie wachsen wollen oder größere Investitionen planen, stoßen sie schnell an finanzielle Grenzen. Die Bankenlandschaft hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Im Mittelpunkt steht heute das Thema Risikobewertung und vor allem Sicherheiten, die viele wachstumsorientierte Unternehmen nicht bieten können.

Ein typisches Beispiel sind junge Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen. Weil sie noch keine lange Erfolgsgeschichte vorweisen können, erhalten sie klassische Kredite oft nicht. Nur wer persönliche Bürgschaften übernimmt oder andere Sicherheiten bietet, hat eventuell Zugang zu Kapital. Viele Gründerinnen und Gründer schrecken jedoch davor zurück. Oft wegen der Erfahrungen in den 1990er-Jahren, als in der Bankenkrise viele alles verloren haben und durch solche Bürgschaften in lebenslange Schulden geraten sind.

Ein weiteres Problem ist, dass es in Finnland kaum Angebote für Fremdkapitalfinanzierungen gibt, wenn es um Beträge jenseits von ein paar Hunderttausend Euro geht. Bis ungefähr 200.000 Euro gibt es durchaus Möglichkeiten. Darüber hinaus wird das Angebot sehr dünn. Diese Finanzierungslücke betrifft viele Unternehmen. Gleichzeitig bietet es Chancen für neue Lösungen und für Investorinnen und Investoren, die genau hier ansetzen wollen.

Welche Rolle spielen alternative Finanzierungsmodelle in Finnland? Und wie hilft Crowdinvesting dabei, die Lücke zu schließen?

Niklas Green: Wenn Banken vorsichtig agieren, müssen Unternehmen andere Wege finden, um an Kapital zu kommen. Leider fehlen in Finnland dafür noch die passenden Strukturen. Gerade für Finanzierungsbedarfe zwischen 200.000 und rund einer Million Euro fehlen brauchbare Angebote. Dadurch scheitert die Finanzierung selbst bei Unternehmen mit einem gesunden Geschäftsmodell.

Genau hier setzt Crowdfinanzierung an. Über diese Form der Finanzierung können Unternehmen Kapital einsammeln, wenn der klassische Bankweg nicht funktioniert. Crowdinvesting bedeutet, dass viele einzelne Investorinnen und Investoren über eine Plattform gemeinsam ein Projekt finanzieren. Es ensteht eine alternative Möglichkeit, die für beide Seiten interessant ist.

Für Unternehmen heißt das: Sie finden Zugang zu Kapital, das sie über andere Wege nicht erhalten würden. Und für Investorinnen und Investoren entstehen Chancen auf attraktive Renditen, während sie gleichzeitig finnische Wachstumsunternehmen unterstützen, die sonst kaum Sichtbarkeit haben. In diesem Segment ist die Nachfrage nach Kapital hoch, das Angebot aber begrenzt. Das sorgt für ein interessantes Verhältnis von Risiko und Ertrag.

Wo sehen Sie aktuell die spannendsten Investmentchancen in Finnland? 

Niklas Green: IT und Tech sind in Finnland traditionell stark. Besonders spannend finde ich aber die Unternehmen, die eher unter dem Radar laufen. Das sind solide Betriebe in klassischen Branchen, die vielleicht nicht besonders „glamourös“ wirken, aber sehr stabil sind und konstant wachsen. Meine deutschen Kolleginnen und Kollegen nennen sie oft „Hidden Champions“. Diese Unternehmen bilden das Rückgrat der finnischen Wirtschaft. Wenn wir es schaffen würden, ihnen ausreichend Betriebskapital bereitzustellen, könnten wir einen großen Teil des wirtschaftlichen Stillstands in Finnland lösen.

Ein starkes Team (von rechts nach links): Niklas Green (Commercial Director Invesdor Nordics) mit Jardo Stammeshaus (Liion Power) und Lukas Linn (Commercial Director Invesdor DACH) auf der SLUSH 2025 in Helsinki

Gibt es weitere Bereiche, die sich verändert haben oder verändern?  

Niklas Green: Künstliche Intelligenz ist ein stark wachsender Bereich, eng verbunden mit dem schnell wachsenden Markt für Rechenzentren. Finnland hat hier klare Vorteile, zum Beispiel niedrige Strompreise und ein stabiles Klima. Abwärme aus Rechenzentren kann effizient genutzt werden, etwa zur Gebäudeheizung mit erneuerbarer Energie. Solche smarten Lösungen zeigen, wie viel Innovationskraft im finnischen Markt steckt.

Auch die Verteidigungsindustrie hat sich stark gewandelt. Finnland teilt eine über 1.100 Kilometer lange Grenze mit Russland. Nationale Sicherheit spielt eine große Rolle. Lange Zeit war der Verteidigungssektor für Investorinnen und Investoren praktisch tabu. Diese Sichtweise hat sich fast über Nacht verändert. Heute erkennen viele, dass Verteidigungsfähigkeit durchaus mit ESG-Kriterien vereinbar sein kann. Sicherheit wird zunehmend als Teil einer nachhaltigen Entwicklung gesehen.

 

Welche Rolle spielt Europa bei der Finanzierung finnischer Unternehmen?

Niklas Green: Viele finnische Unternehmen sind gut aufgestellt, erhalten aber trotzdem kein klassisches Kapital. Die wenigen Banken in Finnland handeln meist sehr vorsichtig. Hier kann der Zugang zu europäischem Kapital den entscheidenden Unterschied ausmachen.

Über unser Netzwerk bringen wir finnische Unternehmen mit Investorinnen und Investoren aus Europa zusammen. Diese bringen Kapital mit, aber auch Erfahrung, Kontakte und das Interesse an stabilen Anlagemöglichkeiten. Weil das Kapitalangebot in Finnland knapp ist, sind die Zinssätze hier oft höher als in anderen europäischen Märkten. Das macht Investitionen attraktiv, bei gleichzeitig überschaubarem Risiko.

Warum ist das besonders interessant für Investorinnen und Investoren?

Niklas Green: Es ist nicht immer einfach, Geld so anzulegen, dass Rendite und Risiko in einem guten Verhältnis stehen. Der finnische Markt bietet diese Kombination. Der Finanzierungsbedarf ist da, vor allem im Mittelstand. Bei gleichzeitig geringer Konkurrenz um Kapital. Wer früh dabei ist, kann die wirtschaftliche Entwicklung Finnlands aktiv mitgestalten und sich eine starke Position sichern.

Was sind Ihre Prioritäten als Commercial Director?

Niklas Green: Mein Hauptziel ist es, mehr finnische Unternehmen mit passenden Kapitalquellen zu verbinden. Es gibt hier viele Firmen mit Potenzial, die nicht an Fremdkapital kommen. Das will ich ändern. Für mich geht es dabei nicht nur um einzelne Transaktionen. Ich sehe das als Partnerschaft.

Ich will ein funktionierendes Netzwerk aufbauen. Dazu gehören Banken, Kreditgeber, lokale Investorinnen und Investoren, Startup-Zentren, wirtschaftsnahe Organisationen. Alle, die den finnischen Mittelstand unterstützen wollen. Wenn wir diese Akteure zusammenbringen, schaffen wir ein stabiles Finanzierungssystem, das langfristig funktioniert.

Es geht nicht nur um große Fonds oder institutionelle Investoren. Häufig sind es Unternehmerinnen und Unternehmer, die selbst ein Unternehmen aufgebaut oder verkauft haben und nun die nächste Generation unterstützen möchten. Ich will diese Menschen mit wachstumsbereiten Unternehmen zusammenbringen. Genau das verstehe ich unter Wirkung: Kapital, Know-how und Kontakte so zu verbinden, dass daraus nachhaltige Lösungen entstehen. Und Arbeitsplätze, von denen Menschen leben können. Das ist das, was ich aufbauen will.

Was motiviert Sie persönlich? Und was möchten Sie verändern?

Niklas Green: Technologie und KI bieten riesige Chancen. Wir sollten Aufgaben, die keine persönliche Beratung erfordern, automatisieren. So bleibt mehr Zeit für das, was wirklich zählt: Investmentchancen analysieren, Investorinnen und Investoren beraten und Deals abschließen.

Aber für mich geht es um mehr als nur Effizienz. Ich will Kapital so einsetzen, dass alle davon profitieren – die Investoren, die Unternehmen und die Gesellschaft. In einer Welt, die sich ständig verändert, brauchen wir Unternehmen, die finanziell stabil und gleichzeitig gesellschaftlich verantwortungsvoll handeln.

Am Ende entstehen unsere Arbeitswelt und unsere Gesellschaft durch das Zusammenspiel von Unternehmen, Gesellschaft und Kapital. Damit Unternehmen ihre Rolle in einer nachhaltigen Wirtschaft erfüllen können, brauchen sie Zugang zu Kapitalmärkten. Ohne Kapital können sie nicht handeln. Der beste Weg, das zu ermöglichen, ist, sich aktiv an ihrer Finanzierung zu beteiligen. So schaffen wir echte Wirkung: Investorinnen und Investoren erzielen Rendite, Unternehmen erhalten Kapital, können wachsen, Menschen beschäftigen und so gesellschaftlichen Mehrwert schaffen.


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